Wer bin ich – Gen Z oder einfach 24?

Wer bin ich – Gen Z oder einfach 24?

Dank den Medien sind wir alle vertraut mit Generationenklischees: Die Generation Z sei arbeitsfaul, die Babyboomer egoistisch und die Generation Y entscheidungsscheu. Aber treffen diese Klischees zu, oder verkennen sie die Vielfalt innerhalb und zwischen den Generationen? Der folgende Beitrag zeigt auf, dass es sich lohnt hinter die Generationenklischees zu schauen.

Klischees nach Jahrgang

Helmut Segner (70)

Schlagzeilen zu Generationenklischees finden sich zahlreich in den Medien:
«Faul, verwöhnt, labil? Die Jugend nervt» (Nebelspalter)
«Alt gegen Jung: Generation Z im Verruf» (SRF Dokumentation)
«Wie man die Generation Z zum Arbeiten bringt. Ein Ratgeber» (Süddeutsche Zeitung)
«Immer öfter krank: Professor geht mit Gen Z hart ins Gericht» (online Portal Nau)
«Vorurteile am Arbeitsplatz: Haben Boomer zu grosse Angst vor Neuem?» (Wirtschaftswoche)
«Sind Millenials verweichlicht und arbeitsscheu?» (Spiegel)

Welche Generationen werden unterschieden?

Babyboomer: Jahrgänge zwischen 1946 und 1964
Generation X: Jahrgänge zwischen 1965 und 1980
Generation Y: Jahrgänge zwischen 1981 und 1995/96
Generation Z: Jahrgänge zwischen 1996/97 und 2010/11
Generation Alpha: Jahrgänge zwischen 2011/12 und 2025

Auf welchen Überlegungen und Kriterien beruht diese Generationen-Einteilung? Laut dem Buch von William Strauss und Neil Howe «Generations: The History of America’s Future, 1584 to 2069» unterscheiden sich Generationen, weil gemeinsame Erlebnisse in der Jugend sich prägend auswirken auf die Charaktereigenschaften einer Generation. Beispielsweise gilt die Boomer-Generation, die in der schwierigen, auf wirtschaftliche Anstrengungen fokussierten Nachkriegszeit aufgewachsen ist, als arbeitswütig und ehrgeizig («Workaholics»).

Kann man wirklich alle Menschen einer Generation in eine Schublade werfen?

Allerdings finden sich in den Medien auch eine Reihe von Artikeln, die die Zuordnung bestimmter Eigenschaften an einzelne Geburtenjahrgänge kritisch sehen. Tatsächlich gibt es eine Reihe von Studien, die der Existenz generationen-spezifischer Merkmale widersprechen. So zeigt zum Beispiel die aktuelle Trendstudie «Jugend in Deutschland», dass sich die Mitglieder jüngerer und älterer Generationen in Fragen zum sozialen Miteinander nur wenig unterscheiden. Ein Artikel der Zeitschrift «Intergeneration» weist darauf hin, dass die Theorie von Strauss und Howe eventuell einen grundsätzliche Gedankenfehler enthält: «Kollektiv geteilte Erfahrungen durch gewisse Ereignisse in der Gesellschaft prägen nicht bloss eine bestimmte Alterskohorte, sondern beeinflussen alle Menschen – unabhängig von ihrer Generation.»

Nun könnte man die Diskussion, welche Generation sich denn nun durch welche Eigenschaften auszeichnet, als harmlosen Aufhänger für Aufmerksamkeit heischende Überschriften von Medienberichten abtun. Dennoch: Bevor wir einzelne Generationen als faul oder arbeitsfreudig bezeichnen, sollten wir genau hinschauen, ob solche Charakterisierungen tatsächlich belastbar sind. Kann man wirklich alle Menschen einer Generation in eine Schublade werfen? Oder ist es nicht so, dass sich Menschen innerhalb einer Generationen oder über Lebensphasen hinweg unterscheiden? Es ist wichtig, solche Fragen zu stellen, denn wenn Generationenklischees unkritisch übernommen werden, kann dies letztlich zu Konflikten zwischen den Generationen führen.

Generationen im Clinch

Fritz Zurflüh (71)

Konflikte zwischen Angehörigen verschiedener Generationen bezeichnen wir als «Generationenkonflikte». Generationen wurden in unterschiedliche Welten hineingeboren, sie wurden vor spezifische Herausforderungen gestellt. Daraus können Interessengegensätze erwachsen – oft aus Vorurteilen oder Unwissen.

Generationen im Blick: Wer sind wir – geprägt durch das Geburtsjahr oder das Lebensalter?
Bild: Hans-Peter Rub

Generationendifferenzen zeigen sich bei den folgenden Themenbereichen: Dominanz der Alten: Die Alten verlieren derzeit fast keine eidgenössische Abstimmung. Man spricht von einer «Silberdemokratie» – von einer Herrschaft der Alten sind wir aber weit entfernt.

Wohlstandsverteilung / Altersvorsorge: Viele Junge gehen heute davon aus, dass die Wohlstandsverteilung zwischen Jungen und Alten nicht stimmt – sie sehen die Alten als die Privilegierten. Der demografische Wandel akzentuiert diesen Interessenkonflikt noch.

Wohnraumverteilung: Wohnraum ist besonders in urbanen Gebieten knapp und teuer geworden. Ältere besitzen häufiger Wohneigentum, während Jüngere Schwierigkeiten haben, sich Eigentum zu leisten oder sogar bezahlbare Mietwohnungen zu finden.

Klima- und Umweltpolitik: Die Klimastreik-Bewegung wird vor allem von Jungen getragen. Die Mehrheit der Älteren tut sich mit tiefgreifenden Veränderungen schwer – aus Angst vor wirtschaftlichen Nachteilen oder eingeschränkter persönlicher Freiheit.
Arbeitswelt und -haltungen: Die ältere Generation orientierte sich lange am Grundsatz «Erst die Arbeit, dann das Vergnügen». Die Jungen suchen eine gesunde Balance von Belastung und Erholung, sie gewichten Flexibilität und Sinnhaftigkeit stärker als die Alten.

Die Frage ist, ob Generationen wirklich homogen sind – oder ob nicht gerade die Unterschiede in ihnen selbst liegen.

Digitalisierung: Während ältere Generationen meist erst im Beruf mit digitalen Medien in Kontakt kamen, bewegten sich die Jungen als Digital Natives von klein auf intuitiv im Internet und auf Social Media. Hier kann eine Art Digitaler Analphabetismus entstehen – und damit erschwert sich die Kommunikation unter den Generationen.

Zufriedenheit: In der Lebenszufriedenheit zeigen sich Unterschiede zwischen den Generationen: die Älteren sind deutlich zufriedener als die Jungen – und die Jungen werden laufend unzufriedener. Über Generationen waren die Eltern überzeugt, dass ihre Kinder eine bessere Zukunft haben werden als ihre eigene. Das sehen die heutigen jungen Eltern anders.

Es gibt also tatsächlich eine Reihe von Konfliktfeldern zwischen den Generationen. Die Frage ist aber, ob die Generationen tatsächlich homogen in ihren Charaktereigenschaften sind, oder ob nicht auch innerhalb der Generationen Unterschiede auftreten.

Z wie zerrissen?

Tabea Keller (25)

Ein Bericht der Financial Times anfangs 2024 zeigt auf, dass in der Generation Z (geb. 1996-2010) ein politisches Auseinanderdriften zwischen Frauen und Männern beobachtet wird.

In der Schweiz kann dieser Geschlechtergraben in der Generation Z im Umgang mit Minderheiten (Meinungsumfrage der SRG, Januar 2025) und in der Einschätzung der Umsetzung der Gleichstellung (Gleichstellungsbarometer 2024, Sotomo) beobachtet werden. Junge Männer schätzen die Umsetzung der Gleichstellung als positiver ein und unterscheiden sich so von jungen Frauen. Diese unterschiedlichen Ansichten innerhalb der Generation Z widersprechen der Ansicht, dass eine Generation ähnliche Prägungen und Lebenseinstellungen teile. Aus der Forschung ist bekannt, dass Frauen tendenziell linker wählen und Männer rechter, auch in der Schweiz. Durch die #MeToo-Bewegung haben sich viele Frauen bestärkt gefühlt, Männern wurden eher vor den Kopf gestossen (ellex, 2025).

Vorbilder in den neuen Geschlechterrollen fehlen – für Männer genauso wie für Frauen.

Geschlechterspezifische Erfahrungen, gerade am Arbeitsplatz, können auch zu unterschiedlichen Einstellungen führen. Veränderte Geschlechterrollen bei der Arbeit und privat führen zu Unsicherheiten – besonders bei Männern. Vorbilder in diesen neuen Rollen fehlen sowohl für Männer als auch Frauen.

Dieser Graben wirkt sich auf den Umgang miteinander aus – ganz konkret auf den Beziehungsmarkt: Viele Menschen finden sich in Paaren zusammen, die politisch eine ähnliche Einstellung haben (Geschlechtergerecht Toleranz-Studie 2024, Sotomo).
Extremformen dieses Auseinanderdriften sind die «Incel» und «4B» Bewegungen. Männer, respektive Frauen, die sich komplett isolieren gegenüber dem anderen Geschlecht.

Geteilte Gegenwart: Zwei Frauen, eine Generation – und doch unterschiedliche Lebensrealitäten.
Bild: Hans-Peter Rub

Wie werden sich diese Unterschiede entwickeln über die Zeit? Denn möglicherweise spielt da nicht nur die Generation eine Rolle, sondern auch das Alter, in dem sich die Generation Z gerade befindet.

Lebensalter statt Label

Rebekka Flotron (30)

Gen Z, Boomer, Millennials – wer tickt wie, und warum? Die Unterschiede zwischen den Generationen sorgen regelmässig für Diskussionen. Doch worauf beruhen sie wirklich?

Was uns wirklich prägt, ist nicht das Geburtsjahr – sondern der aktuelle Abschnitt unseres Lebens, in dem wir uns gerade befinden. Soziologe Martin Schröder bringt es auf den Punkt: «Empirisch gibt es keine Generationen. Sie sind ein Mythos.» Seine Forschung zeigt: Einstellungen verändern sich mit dem Alter – nicht mit dem Jahrgang. Was heute als typisch Gen Z gilt, war auch früher bei jungen Erwachsenen verbreitet. Viele vermeintliche Gegensätze zwischen Jung und Alt spiegeln weniger Mentalitäten als Lebensphasen.

Was uns wirklich prägt, ist nicht das Geburtsjahr – sondern der Abschnitt unseres Lebens, in dem wir uns befinden.

Martin Schröder

Das bestätigen auch Schweizer Studien: Ob Berufseinstieg oder Pensionierung – es sind Übergänge, die unser Denken formen. Entscheidend ist nicht, wann wir geboren wurden, sondern wie offen wir auf Veränderungen reagieren.

Gemeinsam unterwegs: Wo Generationen einander zuhören, entsteht Zukunft.
Bild: Lena Rattaggi

Viele Klischees über «die Jugend» sind altbekannt – und altersbedingt. Martin Schröder sagt: «Junge wollten schon immer weniger arbeiten als Mittelalte.» Auch das Streben nach Selbstverwirklichung ist kein neues Phänomen, sondern je nach Lebenssituation unterschiedlich stark ausgeprägt. Selbst technologische Unterschiede – etwa die Digitalaffinität der Gen Z – sind weniger Ausdruck einer neuen Mentalität als Folge des Aufwachsens in einer vernetzten Welt. Wer an ständiges Feedback aus Social Media gewöhnt ist, reagiert im Berufsalltag sensibler, wenn Rückmeldungen ausbleiben.

Doch genau solche Differenzen werden von Medien und Marketing oft überzeichnet: «Gen Z will nicht arbeiten», «Boomer blockieren Innovation» – zugespitzte Schlagzeilen, die sich gut verkaufen, aber der Realität selten gerecht werden. Martin Schröder nennt das «Generationismus» – ein Denken in Schubladen, das mehr trennt als erklärt.

Perspektivwechsel statt Pauschalurteil

Menschen derselben Generation sind unterschiedlich und teilen manchmal mehr Gemeinsamkeiten mit Menschen aus anderen Generationen als der eigenen.

Diese Unterschiede verdienen Beachtung. Diese Vielfalt in den öffentlichen Diskus von Themen wie Gleichstellung einzubeziehen ist wichtig, um Vielfalt und Verständnis zu fördern. Geschlechterrollen verändern sich. Dialog ist bei solchen Entwicklungen essenziell.

Statt Altersgruppen gegeneinander auszuspielen und falsche Generationenklischees zu pflegen, sollten wir auf das schauen, was uns verbindet: gemeinsame Lebensaufgaben – in verschiedenen Phasen. Wer heute jung ist, wird morgen alt. Und wer das vergisst, verpasst die Chance, die grossen Herausforderungen unserer Zeit gemeinsam zu lösen. Das ruft nach Generationendialog!

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